Werbepause dank Menopause


Seit einigen Monaten ging sie ganz entspannt durch die Innenstadt, schaute private Fernsehsender und blätterte durch Zeitschriften. Die ganze Werbung dort draußen schien nicht ihr zu gelten und als sie überlegte, woran das wohl liegen mag, fiel ihr ihr Alter ein. Sie war endlich nicht mehr Zielgruppe der Marketingleute – welch eine Freiheit!

Die ganze Werbung lässt sie kaltMit dem Alter von 50 Jahren verbinden viele Menschen eine erste Wehmut. Bergfeste werden gefeiert, denn schließlich geht es jetzt an den Abstieg (es könnte aber auch eine Höhenwanderung werden). Die verpassten Gelegenheiten der vergangenen Jahrzehnte werden betrauert (und manchmal erleichtert begrüßt), das Fehlen ernster Erkrankungen ausnahmslos gefeiert.

Auch Marketingleute schauen oft mit Wehmut auf diese Generation. Die Hauptzielgruppe des Konsums sind die 14 bis 49 Jährigen. Da gibt es viele Bedürfnisse zu wecken und zu befriedigen: Jugend und Mode; Ausbildung, Studium und Reisen; Ortswechsel und sich ständig verändernde Wohnverhältnisse. Ein Fest für jeden Anbieter.

Und dann kommen die abgeklärten Jahre. Viele haben einen respektablen Wohlstand erreicht, auf unterschiedlichstem Niveau. Der eigene Stil in Sachen Mode, Musik und Möbeln ist gefestigt. Diese Menschen sind von minderjährigen Models in Kleidung für Erwachsene eher gelangweilt als inspiriert. Die Versprechen der Kosmetik haben sich dutzendfach als leer herausgestellt, ebenso wie Erfolgsdiäten und Last-Minute-Strand-Workouts.

Innerlich fühlen sich viele Menschen rund um die 50 unbestimmt – alt? Jung? Was auch immer! Sie gleichen weder den Frauenmodels mit fehlender Taille und Hüfte noch den Männermodels mit Sixpack und Y-Figur. Die könnten ihre Kinder sein! Was also sollen sie dann von Modefirmen halten, die ihnen mit so jemand das Geld aus der Tasche locken wollen?

Und überhaupt: „Was brauche ich wirklich?“, „Würde ich das auch kaufen, wenn es nicht im Angebot wäre?“ oder „Ich würde dafür mehr ausgeben, wenn es eine ordentliche Qualität hat“ sind zunehmend Leitmotive von Menschen, die sich des Konsum-Korsetts entledigt haben. Vielfach gibt es eine Erinnerung an die Kindheit: einfachste Dinge wie Knödel in sämiger Soße können wieder faszinieren. Und da sie sich alterslos fühlen, sprechen sie „50+“ Angebote nicht an. 50 ist nicht das neue 40 (das macht ihnen keiner vor), sondern immer noch 50.

So gibt es eine Freiheit im Denken, Handeln und Konsumieren, die sich den Werbestrategien erfolgreich widersetzt. Das Seniorenprogramm mit Rollator, Treppenlift und Inkontinenzhöschen kann getrost noch warten.

Man hält es für den Gipfel der feinschmeckerischen Raffinesse, in der Lage zu sein, eine lebende, atmende, nach faulender Qualle stinkende Auster zu verschlucken – dabei ist es nur das traurige Ende einer Geschmacksnervenkarriere.

Hildegunst von Mythenmetz (Zamonischer Schriftsteller undefinierbarem Alters aus Walter Moers‘ „Ensel und Krete“)


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