Hoffnung auftanken


Grundmüde. Er fühlte sich im 13. Corona-Monat so matt, dass auch Ausschlafen nicht weiterhalf. Der Tag war zudem trübe und kalt, wieder schneeregnete es. Als er dann auch noch Handwerker in der Wohnung hatte, wollte er einfach nur in das schöne Leben flüchten. Doch wohin sollte er im Lockdown fahren?

Neulich besuchte ich den Tempel der Hoffnungsvollen und schwelgte in den Farben, Formen und Früchten, die den Besuchern dereinst für ihr harte Arbeit Lohn sein werden. Es ist eine Gemeinschaft, in der alle den gleichen Zugang zur schöpferischen Urkraft haben und alle kommen, weil sie im Grunde ihrer Herzen voller Hoffnung sind. Ich spreche von einem Gartenmarkt. Und Gärtner:innen sind die hoffnungsvollsten Menschen, die ich kenne. Denn sie säen und pflanzen jedes Jahr aufs Neue, arbeiten harten Boden auf, wässern und stützen, um für einige Tage farbenprächtige Blüten zu sehen oder im Sommer und Herbst schmackhafte Früchte ernten zu können.

Gärtner hoffen auf die ZukunftIhre Hoffnung gründen sie auf die Pflanzenkraft, auf das Wetter, auf die Anpassungsfähigkeit der Natur an frühe Blüten, späten Frost, lange Dürren, ungünstige Winde. Dazu kommt der Überraschungseffekt. Manches im Herbst Vergrabene kommt im Frühjahr zum Vorschein, anderes wiederum nicht. Der größte Teil dieses Prozesses liegt außerhalb ihrer Macht. Ihre Erfahrung und Arbeit kann manches mildern, doch nichts ersetzt den Kreislauf der Dinge.

In der scheinbar endlosen Corona-Tretmühle hebt Gärtnern die Stimmung. Neben längeren Tagen, mehr Sonnenlicht und nährender Wärme kommen körperliche Tätigkeit, planerisches Geschick und wertvolles Nichtstun hinzu: Warten. Warten auf das erste Sprießen, die Zeit zum Aussetzen ins Freiland, das Blühen, das Ernten. Geduldiges Warten ist eine notwendige Grundtugend beim Gärtnern. Denn wie heißt so treffend ein afrikanisches Sprichwort: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Gleichzeitig nutzen Gärtner:innen die eingeschränkten Handlungsspielräume, die sie haben. Sie setzen sich nicht gottergeben dem Wetter aus, sondern versuchen dort zu wässern, hier zu stützen und manchmal heißt es auch Abschied nehmen von der Rose, die den Frost nicht überlebt hat.

Hoffnung, das ist eine Haltung und ein Gefühl gleichermaßen. Hoffnung öffnet sich anderen Menschen, verbindet zu einer positiv tätigen Gemeinschaft und sagt: „Auch wenn wir nur wenig beeinflussen können, lasst es uns versuchen.“ Angst dagegen isoliert voneinander, wirkt zerstörerisch, denn sie wird vom Gedanken geleitet: „Es hat alles keinen Sinn. “ Wer sich aktuell zu müde zum Hoffen fühlt, kann einmal in einen Gartenmarkt fahren. Es ist meiner Meinung nach unmöglich, ohne Hoffnung wieder hinauszugehen.

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich doch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.

Ungesichertes Zitat von Martin Luther (1483-1546, Mönch, Theologieprofessor und Reformator)


2 Antworten zu “Hoffnung auftanken”

  1. Lieber Kai, das ist ein wunderbarer Zusammenhang, den Du da hergestellt hast. Und als der Tempel der Hoffnung sich als Gartenmarkt rausstellte, habe ich herzlich gelacht und musste zustimmend nicken. Danke für die schöne positive herzerwärmbde Kolumne

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