Als der Hausmeister die Wohnung der alten Nachbarin ausräumte, fand er zwei Sparbücher mit mehr als 10.000 Euro Guthaben. Die Hinterbliebenen wollten davon nichts wissen. Ihr ganzes Leben sei die Frau geizig und gehässig gewesen, jetzt wollten sie auch nichts mehr von ihr. Was sollte er mit den Sparbüchern nun tun?
Glücklich ist, wer etwas zu vererben hat. Glücklich ist, wer etwas erben kann. Doch leider wird dieses Glück oft getrübt. Statt sich über die Weitergabe eines Vermächtnisses oder eine Starthilfe zu freuen, brechen in Familien alte Konflikte auf. Diese gärten mal jahrelang unter der Oberfläche, mal waren sie erkaltet und festgefahren oder auch schon immer hochexplosiv. Und dann müssen auch noch die Familientraditionen befolgt werden! Doch weil das Erben zwei völlig unterschiedliche Welten verbindet, kann hier jedes Wort wie ein Funke im Pulverfass sein.
Zum einen gibt es die juristische Ebene mit Testament, Erbschaftsrecht, Pflichtanteilen, Schenkungs- und Erbschaftssteuern, Eigentumsvorbehalten, Gesellschaftsrecht, Niesbrauch, Wohnrecht – es nimmt einfach kein Ende. Ein Erbfall kann wie ein gordischer Knoten sein, der nicht einfach mit einem Schwerthieb zerschlagen werden kann. Und daher eine wunderbare Gelddruckmaschine für Rechtsanwälte und Notare, die alles auseinanderdröseln.
Als sei das nicht schon schwierig genug, kommen noch Jahrzehnte von erlebten, erlittenen, aufgestauten, unterdrückten Gefühlen bei den Hinterbliebenen hinzu. Wer wen wann wie verletzt, übervorteilt, benachteiligt, missachtet, beleidigt, hintergangen hat, wird mitunter kleinstteilig aufgelistet. Dass dabei das Gedächtnis die eine oder andere Lücke hat oder Verzerrung vornimmt, würzt diese Mischung nur noch mehr.
Wenig vornehm wird hier zu oft die ganz große Keule herausgeholt und Gefühle in Gold aufgewogen: weil das Elternteil immer das eine Kind bevorzugt/benachteiligt hat, muss jetzt der Betrag X gesondert verhandelt werden. Gerne auch an der offiziellen Erbmasse vorbei. Erbittert wird um die Nachfolge in Familienbetrieben, um Immobilien, Aktienpakete, Goldbarren oder Familienschmuck gekämpft und so manche/r wünscht sich, es gäbe nichts zu verteilen. Nicht wenige haben zu ihren Familien rechtzeitig den Kontakt abgebrochen, um sich aus diesem Schlamassel von vornherein heraushalten zu können. Das Geld ist ihnen der damit verbundene Ärger nicht wert.
Beim erfolgreichen Erben geht es darum, beide Ebenen – Recht hier, Gefühle da – möglichst getrennt voneinander zu betrachten und zu behandeln. Denn der Erbschein ist schlichtweg keine Ausgleichszahlung für entgangene Zuneigung. Das hätte zu Lebzeiten mit dem/der Erblasser*in geklärt werden müssen. Und so hat der Hausmeister die Sparbücher einer gemeinnützigen Organisation geschenkt.
2020 wurden Vermögen im Wert von knapp 47 Mrd. Euro vererbt, verschenkt oder gestiftet.
Quelle: Erbschaft- und Schenkungssteuerstatistik 2020 des Statistischen Bundesamtes