Mitfühlend fragte die Putzfrau ihre Auftraggeberin: „Weiß man schon, wie Ihr Mann ums Leben kam?“ „Nein, die Polizei stellt nur Fragen und hat keine Antworten.“ Diese Szene aus dem Oxford-Krimi „Lewis“ unterstellt, dass die Polizei in ihren Ermittlungen nicht weiterkommt. Antworten werden mehr geschätzt als Fragen. Warum eigentlich?
Mit Fragen lässt sich die Welt erkunden, ihr Wesen erfassen und für sich selbst strukturieren. Eine Frage zeigt, dass ich nicht alles weiß und diese Wissenslücke schließen will. ↗ Im Büroalltag gibt es jedoch mehr Anerkennung für diejenigen, die auf alles scheinbar eine Antwort haben. Diese Besserwisser sind ihrer Selbstsicherheit teilweise unerträglich, doch sie vermitteln das Gefühl von Sicherheit, eine klaren Linie und Überblick in komplizierten Situationen.
Der/die Fragende vergrößert im ersten Moment die Unsicherheit: alles ist Chaos und die Fragen legen den Finger genau in diese Wunde. Doch es hat nicht nur innere Größe, sich zu seinem Nicht-Verstehen und Nicht-Wissen zu bekennen. Fragen sind auch ein Zeichen von Klugheit, wenn bestimmte Prinzipien angewendet werden.
Es gibt drei Fragetechniken, von denen Kinder zwei perfekt beherrschen:
- Die offene Frage, die mit „Warum?“, „Wie?“, „Wann?“ etc. beginnt. Für ihre Beantwortung braucht es etwas Erzählung und damit lädt sie ein, weitere Fragen zu stellen. So geht es dann immer tiefer in die Verzweigungen eines Themas. Das ist eine sehr kreative Fragetechnik, die die Ideenfindung unterstützt.
- Die geschlossene Frage, die als Antwort nur ein „Ja“ oder ein „Nein“ ermöglicht. Wenig kreativ, dafür umso analytischer. So lässt sich Ursachenforschung betreiben, oft auch über das Ausschlussverfahren. Jedes „Nein“ ist dabei genauso wertvoll wie ein „Ja“. Ideen und Visionen lassen sich so auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüfen.
- Die Suggestiv-Frage, die beim Fragen schon eine bestimmte Antwort provoziert. In Form einer Frage wird eine Meinung oder Behauptung geliefert, die vor einer Antwort entdeckt und zurückgewiesen werden muss. Erst danach ist eine freie Antwort möglich. Beispiel: „Finden Sie nicht auch, dass ihr Kollege sehr nachlässig arbeitet?“ Suggestiv-Fragen sind eine Manipulationstechnik, die Kindern fremd ist.
Kinder stellen manchmal hundert Fragen am Tag und können so die Erwachsenen zur Verzweiflung bringen. Denn sie hinterfragen einfach alles. Auch Dinge, die für uns selbstverständlich oder peinlich sind. Oder die wir nicht erklären können. Weil sie dabei teilweise für uns absurde Gedankengänge verknüpfen, bringen sie uns zum Lachen – und auf Ideen.
Der, die, das, / wer, wie, was, / wieso, weshalb, warum, / wer nicht fragt, bleibt dumm!
Tausend tolle Sachen, / die gibt es überall zu seh’n, / manchmal muss man fragen, / um sie zu versteh’n!
Titellied der Kinder-Fernsehserie „Sesamstraße“ ↗