Der große Fastenspaß


Die Regel war unmissverständlich: keine Schokolade, 46 Tage lang, zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag. Doch am Geburtstag der Schwester gab es Käse-Sahne-Torte, lecker! Aus diesem Anlass ist sicherlich eine Ausnahme erlaubt und schließlich ist Torte keine Schokolade, oder?

Freiheit winkt am Ende der FastenzeitDie Fastenzeit mit ihrem klaren Beginn und Ende ist eine traditionelle Herausforderung. Dabei war es in vergangenen Jahrhunderten gleichzeitig auch die Zeit, in der die Wintervorräte zu Ende gingen und es notwendig war, den „Gürtel enger zu schnallen“, um mit dem haushalten zu können, was die Speisekammer noch hergab. In einer Zeit des Überflusses – zumindest in den reichen Ländern dieser Welt – fällt verzichten besonders schwer. Warum sollte ich mir etwas nicht gönnen, was ich mir leisten kann?

Fasten wird mit Kasteiung, sich etwas versagen und Freudlosigkeit verbunden. Beim genauen Hinschauen lässt sich aber viel Spaß beim Fasten entdecken. Alleine diese ganzen Ausreden für die kleinen Ausnahmen: Der Geburtstag (ein besonderer Anlass), das Geschäftsessen (eine unumgängliche Pflicht), der Butterkeks (enthält keine Schokolade) – der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Welche Kreativität in diesen Ausweichmechanismen steckt und das selbst bei Menschen, die sich für unkreativ halten. So gibt es die kleinen Sündenfälle, die kurzfristig die Gelüste befriedigen, doch hintendran trottet oft das schlechte Gewissen. Denn hatte man nicht gerade betrogen?

Vor allem sich selbst betrogen? Ja, man hat sich selbst um den ganz großen Spaß beim Fasten gebracht. Der besteht nicht nur darin, sich ständig amüsiert bei neuen Ausreden zu ertappen, sondern auch um die Geschmacksexplosion, wenn nach wochenlanger Abstinenz das erste Stück Schokolade im Mund schmilzt. Diese Wiederschmeckensfreude ist so gut, fast wie beim ersten Mal. Oder die erste Shoppingtour durch Klamottenläden – wow! Da ist der neue Pulli wie ein königliches Gewand.

Vielleicht aber gibt es auch den allergrößten Spaß zu entdecken: Ich kann, ich darf, aber ich brauche nicht. Die Torte? Vermutlich sehr lecker, doch sie lockt mich nicht wirklich. Der Pullover? Schön, doch ich habe genug im Schrank. Der größte Spaß beim Fasten kann also sein, wieder die Freiheit über meine Konsumentscheidungen zurück gewonnen zu haben und Schluss gemacht zu haben mit suchtähnlichen Routinen; wieder den freien Willen zu haben, „Ja“ zu sagen oder auch „Nein“.

Der Schlüssel zum Erfolg ist Geduld. Nicht durch Aufschlagen, sondern durch Ausbrüten wird das Ei zum Küken.

Chinesische Weisheit


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