Zusammenziehen ist die Schule fürs Leben


Nach monatelanger Wohnungssuche fühlte sich der Mietvertrag an wie der Jackpot im Lotto. Doch als sie sich daran machten, die erste gemeinsame Wohnung einzurichten, kamen sie von zwei weit entfernten Sternen. Wie sollte daraus bloß ein gemeinsamer Heimatplanet entstehen?

Irgendwann stellen Paare ihre Liebe richtig auf die Probe. Nach Jahren gemeinsamen Lebens, teilweise als Wochenendbeziehung, wagen sie den nächsten Schritt und ziehen zusammen. Sie erliegen leicht dem Irrtum, dass die Wohnungssuche das Anstrengendste an diesem Projekt ist. Doch gegen die Gestaltung des gemeinsamen Alltags ist das nur ein seichtes Vorspiel.

Menschen haben verschiedene HeimatplanetenEs fängt schon mit den Möbeln an. Was eine Seite als „Cross over shabby chic style“ bezeichnet, ist für die andere „Geschmackloses Gerümpel“. Zielsicher werden Dinge zum Aussortieren bestimmt („Kommt auf keinen Fall mit!“) mit denen das Gegenüber tiefe Gefühle verbindet („Das habe ich von meiner Mutter!“). Spätestens bei den alltäglichen Routinen kommt es zum Clash: „Ich mache das schon immer so!“ versus „So kann ich das nicht leiden!“

Wir Menschen lieben Vertrautes und Gewohntes. Deshalb tendieren wir leicht dazu genau in diesen bekannten Bahnen zu bleiben. Ein wenig Veränderung wird gerne gesehen, aber radikaler Wandel ruft Widerstand hervor. Sollen aus zwei Leben eine gemeinsame Erzählung werden, stellt das bisherige Verhaltensmuster in Frage. Und das ist gut so! Sonst würden wir Gefahr laufen, im Laufe der Jahre immer eingeschränkter zu werden. Menschen können eine gemeinsame Welt bauen„Das gehört so!“ und zwar genau nach meinem Willen wird dann zum Leitmotiv. So manche Beziehung ist schon daran gescheitert.

Das gilt übrigens auch für das Berufsleben. Wer gewohnt ist, dass nur Frauen (oder Männer) um sich herum zu haben, wird bei Neueinstellungen genau dieses Geschlecht unterschwellig bevorzugen; also Männer für sogenannte Männerberufe und Frauen für sogenannte Frauenberufe.

So gesehen ist die erste gemeinsame Wohnung eines Liebespaares in der Tat eine Schule fürs Leben. Sanfte Anpassung, radikale Schnitte und neue gemeinsame Gewohnheiten im privaten Umfeld trainieren für Beruf und Gesellschaft die Fähigkeiten zu Kooperation und Abgrenzung.

Die Wohnung in deinem Kopf kannst du nur umbauen. Ausziehen kannst du nicht.

Pascal Lachenmeier (*1973, Schweizer Jurist)


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