Ihr Kollege bat sie mit versteinerter Miene zu einem Vier-Augen-Gespräch und legte gleich los: beim letzten Betriebsfest hätte sie ständig über ihn hergezogen und seine Arbeitsqualität vor Allen lächerlich gemacht. Das hätten ihm besorgte Mitarbeiter erzählt. Sie fiel aus allen Wolken. Doch er fragte erbost: „Wie soll ich denn jetzt noch weiter mit Ihnen zusammen am gemeinsamen Projekt arbeiten?“
Angriffe aus dem Hinterhalt sind schwer abzuwehren und können grundsätzlich jede/n treffen. Je stabiler die angegriffene Person innerlich ist, je selbstbewusster sie mit überraschenden Situationen umgehen kann, desto besser können diese Angriffe in ihrer Wucht begrenzt werden. Wie auf dem Schulhof, als früher die Jungs von hinten angerannt kamen, um das „Opfer“ zu treten, zu schlagen oder umzuwerfen, entscheidet die nachfolgende Reaktion, ob es auch in Zukunft zu weiteren Angriffen kommt. Solche Attacken leben davon, dass sich die Angreifer im Recht fühlen, sich unbeobachtet wähnen und keine nennenswerte Gegenwehr vom Angegriffenen erwarten. Es wird erst dann aufhören, wenn sich die/der Angreifende der eigenen Sache nicht mehr sicher ist.
Die eingangs beschriebene „stille Post“ missachtet grundlegende Regeln des sozialen Miteinanders. Offenbar hat keiner der berichterstattenden Personen mit der Kollegin das direkte Gespräch gesucht. Ein Feedback hätte auf jeden Fall geholfen. Feedback lebt davon, dass es zeitnah, direkt der betreffenden Person und so konkret wie möglich gegeben wird. Gerne auch in freundlichem Ton. Vielleicht wurde eine Aussage von ihr nur missverstanden? Stattdessen wurde die eigene Interpretation unkontrolliert hinter ihrem Rücken weitergetragen.
Auch die Zeit spielt eine Rolle. Etwas, was Wochen, vielleicht gar Monate zurückliegt, gärt in den Köpfen und Herzen weiter, verändert sich dabei und die Klärung des Sachverhaltes wird dadurch immer schwieriger. Und Klärung ist jetzt die erste Aufgabe, egal welche Gegenmaßnahme die angeschwärzte Kollegin auch noch ergreifen wird: Was hat sie gesagt, was gemeint und wie kann mit dem verärgerten Kollegen eine Verständigung stattfinden? Das Gespräch wird für beide nicht angenehm, kann gleichwohl im Anschluss zu einem besseren Verhältnis beitragen.
Danach könnte die Kollegin für Transparenz sorgen und Grenzen ziehen. Hinten herum irreführende Kommentare oder Gerüchte zu verbreiten, sorgt für Ärger und Missstimmung, soziale Beziehungen leiden. Es ist wichtig, Menschen die Konsequenzen ihres Handelns aufzuzeigen.
Die beschuldigte Kollegin könnte sich in Erinnerung rufen, mit wem sie alles beim Betriebsfest gesprochen hatte. Was wäre, wenn sie nun ihrerseits Vier-Augen-Gespräche mit denen sucht, die getratscht hatten? Sie könnte die Situation mit dem verärgerten Kollegen kurz beschreiben und dann freundlich, kommunikative Grundregeln wahrend und ohne arrogant zu wirken, deutlich Grenzen ziehen: „Ich weiß nicht, wer was zu ihm gesagt, daher spreche ich alle an, mit denen ich auf dem Betriebsfest geredet habe. Das ist also jetzt kein Vorwurf an Sie persönlich. Wenn es etwas gibt, was an meinen Aussagen irritiert, dann sprechen Sie mich doch bitte beim nächsten Mal direkt an, damit wir das klären und Missverständnisse vermeiden können.“*) Nach dem Motto: „Ich sehe, was läuft und spiele das Spiel nicht mit!“
Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.
Sprichwort
*) Die Sätze sind in den Farben des Kommunikationsquadrates von Friedemann Schulz von Thun gekennzeichnet. Es beschreibt die vier Ebenen der Kommunikation aus Sachinformation (blau), Aussage über mich selbst (grün), einem Beziehungshinweis (gelb) und einem Appell (rot). Mehr zu diesem weithin verbreiteten Klassiker, auch bekannt als „Nachrichtenquadrat“ oder „Vier-Ohren-Modell“, unter https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat ↗