Was tun, wenn der Chef keine Führungskraft ist?


Der Chef war als Führungskraft nicht zu gebrauchen. Denn trotz ständiger Erreichbarkeit per Smartphone und der Managementliteratur von Steve Jobs auf dem Fensterbrett konnte von „iLeadership“ nicht die Rede sein. Vielmehr vereinte er die sprichwörtlichen drei Affen in einer Person: er sah nicht hin, hörte nicht zu und sagte nichts an. Was ist zu tun, wenn der Chef partout nicht führen will? Statt darüber zu jammern und meckern ergriff das Team die Initiative und organisierte sich selbst.

Der Chef will kein Chef seinVorgesetzte haben schon immer die Aufgabe gehabt, die Untergebenen so zu organisieren, dass ihr Einsatz für das vorgegebene Ziel gebündelt wurde. Basierte das System jahrhundertelang auf herrschaftlichem Befehl und untertänigstem Gehorsam, entstand in den letzten fünfzig Jahren der kooperative Teamstil. Die einzelnen Fähigkeiten werden dabei vom Teamleiter zu einem größeren Ganzen summiert. Dabei setzt dieser Stil voraus, dass das Team sich zu großen Teilen selbst organisieren kann. Denn vorgegeben werden nur noch der Rahmen und das Ziel. Die Motivation und Ausgestaltung der Handlungen kommt aus und von den Teammitgliedern selbst.

Selbstorganisierende Teams kommen mit einem Minimum an Rahmendaten aus, sie nutzen aktiv die ihnen gegebene Freiheit. Wochenlang keine Teambesprechung? Dann werden die Absprachen eben untereinander an der Kaffeemaschine getroffen. Keine Vorgabe zur Herangehensweise? Dann wird dem Chef oder der Chefin einfach ein fertiges Konzept vorgelegt, das er bzw. sie aus Gründen der eigenen Bequemlichkeit im Großen und Ganzen annimmt – auch wenn das kaschiert wird mit Änderungswünschen an diesen oder jenen Kleinigkeiten. Denn der Schein will gewahrt sein: Chef, das ist doch ganz klar nur einer hier im Team. Das sehen die Mitarbeiter zwar völlig anders, aber es ist einfacher, bei der Komödie mitzuspielen und dem Chef sein Selbstbild zu lassen.

Es gibt jedoch auch eine andere Lösung für führungsschwache Führungskräfte: manche erkennen ihre Defizite und ihr Unwohlsein und verzichten daher auf die Vorgesetztenrolle. Für sie ist es kein Versagen, wenn sie wieder in die Spezialistentätigkeit wechseln oder in das Projektmanagement, wo sie sich in Problemdetails reinfuchsen können, ohne sich mit den lästigen Personalangelegenheiten oder der Unternehmenspolitik zu belasten.

Man muss sich mit fremden Federn schmücken, so lange man sie hat.

Fabian Reinecke (Chefredakteur des Zweitausendeins Merkheftes 1998 – 2011)


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