Der Turbo für die Konflikt-Eskalation


Auf der Strategiesitzung der zehnköpfigen Geschäftsführung im feinen Tagungshotel sollten die Wachstumsziele für die nächsten drei Jahre festgelegt werden. Da kritisierte wie aus heiterem Himmel ein Bereichsleiter das Vorgehen scharf. Was dann innerhalb weniger Minuten folgte, wurde in der Firma als längst überfällige Palastrevolution gefeiert. Der Vorsitzende war vor den Kopf gestoßen: womit hatte er das ausgelöst?

Ein Unternehmen kann als System mit festen Regeln betrachtet werden. Dabei gilt das Grundprinzip, dass alle Beteiligten gleichermaßen Geben und Nehmen. Für die Sicherheit in Form von Arbeitsverträgen und Gehaltszahlungen wird vom Angestellten, egal auf welcher Hierarchie-Ebene, ein Beitrag zum Unternehmen erwartet; Rechte und Pflichten sind im Idealfall ausbalanciert.

Manche Chefs leben auf Wolke 7Für den Bereichsleiter geriet das Verhältnis aus Rechten und Pflichten anfangs unbemerkt aus dem Gleichgewicht. Es wurde stetig mehr verlangt, ohne dass mehr geboten wurde. Seine Abteilungsleiter berichteten seit Monaten von schlechter Stimmung in der Belegschaft, er selbst litt mittlerweile unter chronischen Kopf- und Rückenschmerzen. Ihm ging es überhaupt nicht um mehr Geld, sondern um Werte.

In allen Firmen gibt es Hochglanzbroschüren zur Unternehmensphilosophie, zur HR-Idee, zur Vision – das sind Versuche, bei gleichem Geld durch gemeinsame Werte mehr Beitrag der Angestellten zum Firmenerfolg zu erreichen. Die totale Fokussierung auf das Wachstum wurde in der Sitzung vom Vorsitzenden der Geschäftsführung mit dem Kennedy-Zitat „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt“ auf die Spitze getrieben. Was für ihn als Motivation gedacht war, brachte für den Bereichsleiter das Fass zum Überlaufen: wo, bitteschön, kämen denn noch die Menschen vor? Und wie ließe sich das mit den oft gepriesenen Werten vereinbaren?

Kaum hatte er sich als Erster aus der Deckung gewagt, meldeten sich Weitere zu Wort und brachten ihre Kritik vor. Der Damm war gebrochen. Der aufgestaute Druck wanderte von ganz unten, den einfachen Angestellten, nach oben in die Geschäftsführung. Die Konflikte, die unterschwellig schon lange brodelten, eskalierten durch einen einfachen Satz in Windeseile quer durch das System.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist ein ganz normaler Tropfen.

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