Der Mitarbeiter bat seine Kollegin extra in ein ruhiges Nebenzimmer, um ihr seine Meinung zu sagen. Wie er ihre Arbeitsqualität bewertet und wie sie sich seiner Meinung nach im Team verhält. Der Kollegin schwoll der Hals zu und nur mühsam schluckte sie den Ärger herunter, als er sagte „Nehmen Sie das jetzt bitte nicht persönlich!“ Wie soll man denn solche Aussagen nehmen, außer persönlich?
Der Hinweis „Nehmen Sie diese Aussage nicht persönlich“ ist ein Totschlagargument, mit dem der Kritiker eine Diskussion über seine Behauptungen unterbinden will. Und gleichzeitig ist er sein Freibrief, um sich vor der Verantwortung für unerwünschte Gefühlen zu entziehen. Gefühle, die seine Worte beim Anderen auslösen. Deshalb möge man doch bitte nur den Sachinhalt betrachten. Als ob man wirklich sortenreine Sachbotschaften austauschen könne.
Ich empfehle, die Worte wirklich persönlich zu nehmen. Damit meine ich: wahrzunehmen, was sie persönlich mit mir machen. Denn ich kann meine Gefühle wie Ärger, Enttäuschung oder Ohnmacht nicht verleugnen. Sie sind real in mir und haben etwas mit mir zu tun. Gleichzeitig kann ich eine Unterscheidung vornehmen: zwischen dem Auslöser der Gefühle – meinem Gegenüber – und der Ursache. Die muss nicht notwendigerweise in dem eben Gesagten liegen und tut es oft auch nicht. Sondern das Gegenüber hat Feuer an eine Lunte gelegt, die eine Bombe in mir explodieren lässt.
Doch das Gegenüber weiß in der Regel nicht, dass gerade eine Initialzündung erfolgt ist. Es reicht ja manchmal ein Wort, ein Unterton, eine Geste, der Winkel in dem der Mund die Worte ausspricht. Das setzt eine Erinnerung frei, eine Reihe von Verletzungen wird sichtbar. Oder ich erinnere mich an eine ähnliche Situation, aus der ich als unterlegener Verlierer hervorging. Das sind die Ursachen meiner Gefühle.
Gerade, wenn ich eine Aussage nicht persönlich nehmen soll, tue ich das. Denn so kann ich am meisten darüber lernen, welche Gefühle in mir durch was ausgelöst werden. Und kann dann, mit ein wenig Training, das alte „Automatikprogramm“ zur Seite schieben. Kann ganz im Hier und Jetzt sehen: was gehört in diese Situation. Und was ist ein Nachhall aus vergangenen Zeiten. Damit gewinne ich die Souveränität, den Aussagen zu widersprechen – oder zuzustimmen. Gerade so, wie es der Situation angemessen ist.
Als Initiator bezeichnet man einen Stoff, der bereits in geringer Konzentration eine chemische Reaktion einleitet.
Brockhaus Enzyklopädie, 20. Auflage