Die Abteilung war zu einer Teamentwicklung ins Tagungshotel eingebucht. Als sich die Kollegen am zweiten Tag als „Konflikt-Schafe“ oder „Konflikt-Stiere“ bezeichnen sollten, wünschte sich ein Mitarbeiter heimlich eine dritte Option: das große Loch, in das er jetzt verschwinden könnte. Denn das wäre ihm am liebsten gewesen. Kam man so nicht am besten durchs Leben?
Konflikte machen manchen Menschen richtig Angst. Die schiere Aussicht, sich in einer Situation zu befinden, wo man sich behaupten und positionieren oder Widerstände überwinden muss, lösen Stress aus –dem Körper wird höchste Gefahr signalisiert. Im Laufe der menschlichen Entwicklung haben sich im Falle einer lebensbedrohlichen Situation die grundlegenden Reaktionen „Kämpfen (fight)“ und „Flüchten (flight)“ herausgebildet.
Blitzschnell wird eingeschätzt, ob ich den Gegner in einem Kampf besiegen könnte – die Reaktion eine Stiers, der die Hörner senkt und seinen Gegner anvisiert. Sehen meine Siegchancen schlecht aus, bleibt mir die Flucht aus der Situation – die Schafsreaktion. Ziel beider Varianten: mit dem Leben aus dem Konflikt, der Gefahr, herauszukommen. Der Fachbegriff dafür: „fight-flight response“.
Doch was ist, wenn ich weder siegreich kämpfen noch wirklich flüchten kann – ich also der Situation ausgeliefert bin? Der britische Psychologe Jeffrey Alan Grey hat die oben beschriebene fight-flight response um die Dimension des „freeze“ erweitert ↗: das Erstarren bzw. Totstellen. Wie das Kaninchen vor der Schlange, das dadurch hofft, uninteressant als Futter zu sein. Denn Schlangen wollen ihr Essen gerne lebendig.
Der Mitarbeiter im Teamentwicklungsseminar wünschte sich noch mehr als übersehen zu werden: nicht da sein und alles würde von alleine gut werden. Wenn er wieder aus seinem Loch herauskäme, hätte sich der Konflikt wie von ganz alleine in Luft aufgelöst. Denn er wollte am liebsten frei von Konflikten leben. Der schweizerische Paar-Therapeut und Vater der Klärungshilfe Christoph Thomann ↗ macht dieser Illusion ein Ende: Wir leben alle in Konflikten, das lässt sich nicht verhindern. Es gibt keine vierte Option, um auf Konflikte zu reagieren: Durch Augen-zumachen verschwinden sie nicht.
Ich verstehe überhaupt nicht, was Waffen in Nicht-Spannungsgebieten verloren haben.
Franz Josef Strauß (1915 – 1988, Bundesminister für Verteidigung 1956 – 1962)
Eine Antwort zu “(K)ein Leben ohne Konflikte”
Danke für diesen Artikel, der kommt mir gerade recht. Kai, du hast mir damit eben einen entscheidenden Impuls gegeben.
Wenn wir aufhören, mit der Tatsache, dass Konflikte existieren, zu hadern, dann wird es schon leichter. EIN Element, mit dem wir uns spannungsgeladen verwickeln können, fällt damit weg. Wenn ich JA sagen kann dazu, dass ein Konflikt existiert, habe ich mehr Energie und Klarheit, mich ihm zu widmen.
Danke für diese Erinnerung.