Als Mitglied der Geschäftsführung waren ihre Termine oft doppelt und dreifach verplant. Dann stand das lange Wochenende an, Mann und Kinder waren gemeinsam zelten und sie machte – nichts. Als sie das montags erzählte, erntete sie ungläubiges Kopfschütteln. War sie etwa krank, gar depressiv?
Selbstbestimmtes Leben ist eine Freiheit, die sich Menschen spätestens seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert zu erkämpfen versuchen. Die Arbeitswelt im 21. Jahrhundert scheint aber viele wieder erneut zu versklaven. Ständig gibt es die Notwendigkeit, in Meetings zu sitzen, in Steuergruppen Entscheidungen zu treffen oder in Supervisory Boards die Zielerreichung zu evaluieren. Das Grundbedürfnis nach Freiheit, Eigenständigkeit und Einzigartigkeit ↗ wird in diesen endlos aneinander gereihten Gruppenbesprechungen ignoriert.
Das Zuviel an Kooperation, Kontakt zu Anderen und ständiger Anpassung an die Umgebung braucht gleichsam eine Gegentherapie. Auch wenn das Stadtfest lockt, die ganze Wohnung für einen alleine da ist und durchfeierte Nächte ganz einfach möglich wären, gibt es die Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden, die es so nur mit sich selbst alleine geben kann. Mönche haben dafür den Klosterbereich der Klausur ↗: er darf nur unter bestimmten Voraussetzungen von Außenstehenden betreten werden und dient dem Rückzug und der Besinnung.
Eine Auszeit stellt einen Sicherheitsabstand zu fremden Ansprüchen an einen selbst dar. Wenn das Mobiltelefon abgestellt und das Festnetztelefon ausgehängt ist, ist Mann oder Frau sich selbst genug. Es ist weniger ein Zeichen von Depression, mal in Klausur zu gehen, als ein Weg, genau diese Krankheit zu vermeiden.
Muße ist das Kunststück, sich selbst ein angenehmer Gesellschafter zu sein.
Heinrich Waggerl (1897 – 1973, österreichischer Schriftsteller)