Aus dem Bannkreis der Glaubenssätze ausbrechen


„Da musst du durch!“ Wie ein Gefängnis wirkte dieser Satz ihrer Mutter. Seit der Kindheit biss sie immer die Zähne zusammen, doch zu ihrem 50. Geburtstag schenkte sie sich die Befreiung von diesem Glaubenssatz. Mit Hilfe eines kleinen literarischen Tricks.

Ausbruch aus dem Glaubenssatz-GefängnisEs gibt Sätze, die brennen sich tief in das eigene Werte- und Koordinatensystem ein. Mantra-artig wiederholen sie sich im Kopf, als ob sie ein Eigenleben führten. „Hochmut kommt vor dem Fall!“ zum Beispiel. Oder: „Ein einmal gegebenes Versprechen bricht man nicht!“ Auch „Da musst Du durch!“ gehört zu den Klassikern elterlicher Dogmen ↗, die die Welt erklären. Daher das Ausrufezeichen am Satzende.

Ihnen gemeinsam ist das Ziel, Kinder an die Erwartungen der Umwelt anzupassen und zu zeigen: „Du bist nichts Besonderes!“ „Du musst Dich einordnen!“ „Das gehört sich nicht!“ Sie beschneiden Kinder in ihrer Individualität.

In einer konkreten Situation gesagt, können diese Sätze über die Jahre eine eigene Dynamik entwickeln. Sie lösen sich von den persönlichen Motiven des Vaters oder der Mutter, als sie diesen Satz sagten. Aus der starren Anschauung der Eltern wird der eigene Glaubenssatz. So beißt das Kind selbst als gestandene Frau immer wieder die Zähne zusammen. Auch dann, wenn loslassen, weggehen oder Angriff geeignetere Strategien wären.

Doch die erwähnte Frau hat das Machtfeld ihres Dogmas durchbrochen, indem sie den Leitsatz ergänzte. Er lautet nun „Das ist wie eine Tür, da musst Du durch“:

  • Türen öffnen sich zu neuen Ufern.
  • Türen können etwas einsperren. Oder aussperren.
  • Türen lassen sich zuschließen oder aufschließen.
  • Man kann durch eine Tür gehen und nicht wiederkommen.
  • Oder an der Türe jemanden hineinbitten.

Das Bild der Tür gab der Frau ungeahnte Möglichkeiten. Statt nur eine Richtung vorzugeben, offerierte der Satz nun viele Optionen – je nach Interpretation der Tür-Symbolik. Diese Wahlmöglichkeiten bedeuten Freiheit, sich entscheiden zu können.

Irgendwann kann man die eigene Meinung nicht mehr aushalten.

Fritz van Eycken (* 1968, Herausgeber u.a. von Werken Wilhelm Buschs, Christian Morgensterns oder Karl Mays)


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