Intelligenzfasten? Das werde ich ausprobieren!


Auf einer Feier kam ich ins Gespräch über Fastenpläne. Mit dem Meckerfasten hatte ich gemischte Erfahrungen, da erzählte eine Frau, sie würde „Intelligenz fasten“. Auf meinen ratlosen Blick hin begann sie zu erzählen und meine Miene hellte sich auf. War Intelligenzfasten vielleicht das Rezept gegen meine unnötigen Aufreger?

Seit einigen Wochen hatte ich mir vorgenommen, mich nur noch über Umstände oder Menschen aufzuregen, die mich wirklich tangierten oder die ich ändern kann. Dieses Meckerfasten erwies sich als schwieriger als gedacht. Mir fiel es schwer, mich nicht um Themen zu kümmern, die weit außerhalb meiner Einflusssphäre lagen. Es schien, als würde ich ständig einen unausgesprochenen Appell hören: „Darüber muss man sich doch aufregen!“, frei nach dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt „Mich regt die Tatsache auf, dass sich niemand aufregt.“

Einfach mal dumm stellenDiese im Raum stehenden Aufforderungen, etwas zu tun, sind eine tückische Sache. Da werden Erwartungen nicht formuliert und gleichzeitig existieren sie – doch oft nur in meinen eigenen Gedanken. Der Satz „Es ist stickig hier im Raum!“, ausgesprochen in einer Gruppe von zehn Menschen, heißt keinesfalls, dass ich jetzt das Fenster öffnen soll. Ich könnte ja mal mein „Appell-Ohr“ schließen – jenes Ohr also, das immer schnell heraushört, wenn ich (angeblich) etwas tun soll ↗.

Hier setzt das Intelligenzfasten an. Auf die Frage: „Wissen Sie, wie man den Papierstau beim Drucker beseitigen kann?“ könnte ich mich zur Abwechslung mal bewusst dumm stellen und antworten: „Nein, weiß ich auch nicht!“, ohne Zusatz von künstlichen Angeboten wie „Ich kann ja mal schauen!“ oder „Ich rufe den IT-Support an.“ Genau dieses Verhalten legte die Frau an den Tag, mit der ich auf der Feier sprach. Am Anfang waren die Kolleg*innen leicht irritiert: Wusste sie nicht immer eine Lösung? Hatte sie sich nicht früher um alles gekümmert? Doch nach einem kurzen Zögern, ob vielleicht doch noch ein Hilfsangebot käme, drehten sie sich um und gingen ihrer Wege. Der positive Effekt: die Frau hatte Zeit gewonnen für ihre eigenen Aufgaben anstatt sich um Fremder Angelegenheiten zu kümmern.

Nächstes Jahr will ich das Intelligenzfasten auch ausprobieren. Und sollte der Drang nach einem Hilfsangebot wirklich groß sein, kann ich es wenigstens in sinnvolle Bahnen lenken, in dem ich frage: „Und was konkret kann ich jetzt für Sie tun?“, anstatt blind zu agieren.

Die Kunst der Weisheit besteht darin, zu wissen, was man übersehen muss.

William James (1842 – 1910, US-Amerikanischer Philosoph)


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