„Was wünschst Du Dir denn zu Weihnachten?“ Die Frage der Tante hing wie ein Damoklesschwert über ihm. Er hatte alle materiellen Güter, war im Prinzip wunschlos und wollte doch kein Spielverderber sein: Sich nichts zu schenken war keine Alternative. Wie sollte er aus dieser Nummer rauskommen?
Der Wunschzettel ist kein Bestellzettel
Weihnachten ist seit unserer Kindheit so besonders, weil wir mit Geschenken überrascht wurden. Der Weihnachtsmann, das Christkind (oder ganz einfach Eltern und Verwandte) haben sich zwar vom teilweise liebevoll gestalteten oder übervoll beschriebenen Wunschzettel inspirieren lassen, doch auch immer noch eigene Vorhaben umgesetzt. Oft waren das dann ganz praktische Geschenke (Mützen, Schals, Anoraks). Die Magie des Geschenks unter dem Weihnachtsbaum ist ganz wichtig für den Reiz dieses Festes.
Geschenke zu bekommen macht in der Regel Spaß, nämlich dann, wenn sie ohne Zweck und Hintergedanken gemacht werden. Ein Heimtrainer als sanfter Hinweis, mal Pfunde abzutrainieren? Eher zweckgebunden. Oder geht es beim Schenken darum, den anderen in Verlegenheit zu bringen? Sie oder ihn zum gleichwertigen Gegengeschenk zu zwingen? Manche Kinder mussten die Geschenke samt geschätztem Einkaufspreis aufschreiben und dann bei nächster Gelegenheit ein ähnlich teures Gegengeschenk machen.
Weder kann ich beim Wünschen erwarten, dass mein Wunsch in Erfüllung geht noch kann ich beim Schenken eine Dankbarkeit erwarten. Schenken birgt nach Frank Adloff, Professor für Soziologie und Sozialökonomie an der Universität Hamburg, ein Risiko: Es ist ein Moment der Bedingungslosigkeit, dem Gegenüber etwas zu schenken und sich damit zu öffnen. Es ist gleichzeitig keineswegs klar, dass ich etwas zurückbekomme.
Konsequent anders schenken
Um nicht in diese Fallen hineinzustolpern, vereinbaren viele Familien und Freunde, sich nichts mehr zu schenken. Sie berauben sich damit ein Stück des Glücks, ein Geschenk zu machen oder zu bekommen. Doch was wäre, wenn ich mein Geschenk jemand anderem zukommen lasse? Hier meine Idee: „Ich wünsche mir, dass Du nicht mich beschenkst, sondern Menschen, deren Arbeit ich bewundere.“
Wie wäre es mit
- einer ehrenamtlichen Organisation, die Besuchs-, Hospiz- und Integrationsdienste ↗ anbietet?
- Oder einer Kinderrechtsorganisation ↗, die sowohl in Deutschland als auch weltweit dahin geht, wo es wirklich notwendig ist?
- Oder eine Ärzteorganisation ↗, die ehrenamtlich in den entlegensten Teilen der Welt vergessenen Menschen medizinische Hilfe zukommen lässt?
- Oder einer Schülerorganisation ↗, die Geld für andere Schüler sammelt, die kaum Chancen auf faire Bildung haben?
- Oder ein Hilfswerk ↗, das weltweit bei Katastrophen für Nothilfe und sauberes Trinkwasser sorgt?
- Oder eine Organisation, die obdachlosen Menschen ↗ mit niedrigschwelliger sozialer Hilfe unter die Arme greift?
Nur ein paar Ideen am Rande.
„Doch vor allem will ich keinen Beweis, ob und wie viel Du gespendet hast. Das liegt ganz bei Dir: ob Du anderen eine Freude machst oder Dir das Geld sparst. Hauptsache, Deine Handlung kommt von Herzen.“
Haben Sie eigentlich noch echte Wünsche, fehlt Ihnen was? Wenn man über Weihnachtswünsche schon echt nachdenken muss – da stimmt doch was nicht.
Dieter Nuhr (*1960, deutscher Kabarettist)