Den Chef mit seinen eigenen Waffen schlagen


Die junge Kollegin hat keine Chance: links ist das Fenster, vor ihr der Schreibtisch, hinter ihr die Wand und rechts – da sitzt ihr Chef. Fast schon auf ihrem Schoß. Und diktiert ihr eine E-Mail in die Tastatur. An Flucht ist nicht zu denken, auch nicht, als er noch rülpst. Sie finden, das klingt erfunden? Nein, leider muss ich Ihnen sagen, das ist der Alltag bei dieser Mitarbeiterin. Sie lässt diese massive Verletzung ihrer Grenzen zu. Wie kommt es eigentlich zu solch einer Situation?

Es ist einfach, in einer solchen Situation dem Chef die Schuld zu geben: „Wie der sich benimmt! Das geht doch gar nicht! Da müsste doch jemand mal eingreifen!“ Dieser jemand ist dann gerne die nächsthöhere Führungsebene oder „die Personalabteilung“. Aber ist es nicht so, dass der Chef nur den Raum ausnutzt, der ihm gewährt wird?

Grenzen ziehen sich nicht von alleineMachtverhältnisse lassen sich gut mit dem Physikunterricht der Mittelstufe erklären. Da wird Mechanik gelehrt und das Prinzip der kommunizierenden Röhren. Wasser verteilt sich gleichmäßig über mehrere Eimer hinweg, wenn diese durch Rohre miteinander verbunden sind. Wasser nimmt sich den Platz, den es braucht. Im Ruhezustand sind die Wasserstände auf einer Höhe.

In der Situation oben sind Angestellte und Chef zwei Eimer, das Wasser ist die Macht. Der Chef drückt nun sein Wasser in den Eimer der Angestellten. Diese setzt keinen Druck dagegen, lässt ihn also gewähren. Warum sollte ein Mensch mit Machtinteresse da freiwillig auf den Raum verzichten, der ihm angeboten wird?

Was wäre nun, wenn die Angestellte ausweicht, also ihren Eimer vergrößert, damit ihr das Wasser nicht mehr bis zum Hals steht? Das gibt dem Chef noch mehr Raum und er kommt vielleicht auf die Idee, Kontrollanrufe zu machen, wenn er auf Geschäftsreise ist und zu verlangen, dass seine Assistentin allzeit verfügbar am Arbeitsplatz auf seine Anweisungen wartet.

Es wird aus meiner Sicht kein Weg daran vorbeiführen, dass die Mitarbeiterin die Gummistiefel anzieht und das Wasser, also die Macht des Chefs, zurückdrängt. Selbstverständlich lässt sich eine Überflutung mit fremder Macht nicht sofort zurückdrängen, aber eine Kombination aus treuer Pflichterfüllung und passivem Widerstand könnte sehr effektiv sein. Chefs mit Kontrollzwang wollen alles genau so erledigt haben, wie sie es sich vorstellen. Das soll ihnen gegönnt sein. Jede noch so unsinnige Anweisung wird genau befolgt. Aber nur im Rahmen der üblichen Arbeitszeit. Dienst nach Vorschrift: alle 15 Minuten notieren, was ich gerade getan habe? Aber gerne! Alleine das Schreiben eines Berichts dauert fünf Minuten. Die Berichte könnten auch mit der einen oder anderen dringenden Frage an den Chef gespickt sein, auf deren Antwort ich als Angestellter bestehe. Er muss also alle Berichte am gleichen Tag lesen. Kombiniert mit dem Arbeitszeitkorridor legt das früher oder später die komplette Arbeit lahm.

„Wer noch niemals anderen Leuten auf die Füße getreten ist, hat sich vermutlich noch niemals von der Stelle bewegt.“ (Franklin P. Jones, Amerikanischer Schriftsteller)

Vorschau

„Und die Jeans hier, die kommt auch zu Oxfam!“ sage ich zu meiner Frau und stopfe sie in die Tüte, zu den anderen Pullovern, Hemden und CDs die ich gekauft habe, obwohl sie mich von Anfang an nicht wirklich überzeugt haben. Jetzt trenne ich mich endlich von ihnen, ich habe auf diese Art sogar schon mal einen Job entsorgt. Was bringt mich dazu, wider besseres Wissen „Ja“ zu etwas zu sagen? Lesen Sie die Antwort und erfahren Sie die Auflösung des Dilemmas. Am 28. April hier auf meinem Blog.


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