Ich dope mich mit Selbstbestimmung


Kürzlich war ich auf einem Releasekonzert der Musikerin Kaye-Ree, die sich selbst als „Natural high“ bezeichnet: fast immer gut drauf, kaum schlecht gelaunt. Ihr „Dope“ heißt Selbstbestimmung und ist ganz legal. Wie hoch muss die Dosis Selbstbestimmung sein, damit ein natürliches Glücksgefühl entsteht?

Kaye-Ree ist ein Natural highEs waren nicht die besten Voraussetzungen für einen Clubbesuch. Ich hatte seit Tagen Kopfweh und Magengrimmen, so dass meine Frau besorgt fragte: „Sollen wir da wirklich heute Abend hingehen?. „Ich möchte gerne wenigstens eine schöne Sache machen und mich nicht zu Hause verkriechen“, entgegnete ich ihr. Statt mich wie in einer Spirale nach unten ziehen zu lassen, in der nach und nach alle positiven und aufmunternden Aktivitäten aufgegeben werden, weil nur noch Erholung von der Erschöpfung angesagt ist, wollte ich von Anfang an etwas dagegen setzen. Und dann erzählt Kaye-Ree↗, dass sie als Musikerin privilegiert sei und viele sie sicher beneideten, denn sie tue nur das, was ihr Spaß macht.

„Na, danke“ denke ich mir, „reib’ jetzt auch Salz in meine Wunden – mein Leben ist nun mal fremdbestimmt!“ Aber ihre gute Laune, ihr natürliches High-Sein war ansteckend. Ich müsste ja nicht gleich meinen Job an den Nagel hängen und wie sie ein eigenes Plattenlabel gründen. Schon eine halbe Stunde am Tag ganz persönlich für mich, ohne gesellschaftliche Zwänge, die könnte mich doch „dopen“. Was könnte ich da alles „tun“! Den Wolken zuschauen, wie sie über den Himmel ziehen zum Beispiel. Oder ein wenig Gärtnern. Katzen kuscheln. Bei einem Kaffee und mit einem Buch auf Reisen gehen. Und wie ich da so im Konzert stand und mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, ließen auch langsam meine Magenschmerzen nach.

„I’m floating on my waves, giving my ideas and dreams some space“ (Refrain aus „Natural high” von Kaye-Ree)

Vorschau

Neulich hörte ich folgenden Dialog im Supermarkt: „Was schenken wir denn deiner Mutter zu Muttertag?“ – „Naja, eine Schachtel Pralinen und ein Pfund Kaffee, wie immer.“ Mit einem Augenzwinkern könnte ich das meiner Mutter auch schenken, doch viel mehr möchte ich ihr und meinem Vater Respekt und Anerkennung für ihre Lebensleistung schenken. Denn beides haben sie sich redlich verdient. Lesen Sie am 24. Mai in meiner neuen Kolumne ein wenig aus ihrer beider Nachkriegsbiographien.


Schreibe einen Kommentar