Bevor der Job übermächtig wird


Schon morgens, bevor sie aus dem Bett taumelte und in die Dusche stolperte, war sie präsent: die Arbeit. Dann im Büro beflissen die Aufgaben erledigen, doch der Chef nimmt einen nur wahr, wenn etwas schief gelaufen ist. Auf dem Heimweg und später beim Einschlafen poppt dann im Geiste noch auf, was alles zu erledigen gewesen wäre. Die Arbeit beherrscht alles – es geht aber auch anders.

Dolly Parton sang von einem Job, der nur „From nine to five“ dauerte und doch voller geplatzter Träume ist. Für die Einleitung der Kolumne habe ich mich vom ihrem Liedtext inspirieren lassen. Heute nimmt für manche die Arbeit sogar drei Viertel der wachen Zeit ein, weil er einen in Gedanken schon lange vor Beginn und noch lange nach Ende verfolgt. Bleibt also ein mageres Viertel für sich selbst, für Treffen mit anderen, Hobby, Sport, Haushalt … Wo bleibt da der Spaß an der Arbeit oder der Spaß am Leben?

Ein Ausstieg aus dem Teufelskreis ist moeglichDie ideale Arbeit hat ein Gleichgewicht aus Herausforderungen und aus Fähigkeiten. Dabei sind Fähigkeiten nicht nur im Sinn von eigener Kompetenz sondern auch Befähigung gemeint. Befähigung, durch Ressourcen den Aufgaben gerecht werden zu können. Wer da in einer ständigen Welt der Überforderung arbeitet („Das ist nie und nimmer zu schaffen“) kann sich aber immer noch kleine Fluchten, kleine Freiheiten schaffen.

Bei meiner letzten Abendveranstaltung haben die Teilnehmer über vierzig Beispiele gebracht, was sie tun, um von der Arbeit abzuschalten – und sei es auch „nur“ für fünf Minuten. Sie lassen sich in fünf Kategorien einteilen:

  • Eine kurze Pause einlegen (Eine Tasse Tee trinken und aus dem Fenster schauen; ein kleiner Spaziergang)
  • Sich körperlich betätigen (Sport aller Art; Gartenarbeit)
  • Etwas für sich tun (Lesen; eine kleine Köstlichkeit auf einem Teller liebevoll anrichten; zwei Takte auf dem Klavier, die richtig „flutschen“ ohne Nachzudenken)
  • Mit anderen in Kontakt kommen (Kochen mit Freunden; tanzen oder spielen)

Und dann gibt es noch als fünftes den „Third Place“: einen Umweg bzw. eine Unterbrechung auf dem direkten Weg von der Arbeit zurück nach Hause. Für die Engländer und Iren ist das beispielsweise der Besuch im Pub, Italiener gehen in die Espresso-Bar. Man kann aber auch einfach eine Runde durch den Park gehen.

Wer sich so ein wenig Zeit gönnt, um von der Arbeit zu entspannen, wird bei einer Tagesrückschau merken: der Tag war nicht nur Arbeit, er war auch mein Tag.

Auf Wunsch stelle ich die Ideensammlung gerne zur Verfügung.

„Entspanne Dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.“
Kurt Tucholsky (1890 – 1935), Deutscher Schriftsteller


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