Der Job war langweilig geworden und es fehlten nicht nur Herausforderungen, sondern auch Perspektiven. Seit mehr als einem Jahrzehnt war die Produktentwicklerin in der Firma, aber schon einige Monate lang strebte ihr Herz in neue Gefilde. Doch sie brachte nicht den Mut auf, selbst zu kündigen. Das nahm ihr der Chef ab und wenn es nicht unschicklich gewesen wäre, hätte sie ihn dafür am liebsten umarmt. Denn er hätte der Angestellten keinen größeren Gefallen tun können, als ihr die Kündigung zu überreichen.
Eine Kündigung zu bekommen, ist normalerweise ein herber Tiefschlag. Besonders, wenn man nicht mehr zur begehrten Generation der jungen, einsatzbereiten und günstigen Nachwuchskräfte gehört. Was also tun, nachdem der Job weg ist? Gleich zum Nächsten! Doch diese Frage stellt sich so für Menschen jenseits der 40 nicht mehr ohne Weiteres, denn sind sie auf dem Arbeitsmarkt ja „die Alten“ (= teuer und unbequem). Zum anderen haben sie in ihrem Leben schon viel erfahren und manches davon wollen sie für die verbliebene Hälfte des Arbeitslebens nicht mehr akzeptieren.
Eine formale Kündigung kann das fehlende Puzzlestück sein, um der „inneren Kündigung“ des Mitarbeiters zur Realität zu verhelfen. Wie sagte der Chef noch? Die neuen Besitzer hätten dem Unternehmen eine neue Strategie verpasst. Und da passe sie mit ihren Aufgaben und Fähigkeiten nicht mehr. Was er nicht wusste: das Unternehmen passte mit seinen Aufgaben und Attitüden auch nicht mehr zur persönlichen Strategie der Produktentwicklerin. Er rannte die sprichwörtlich offenen Türen ein und der „goldene Handschlag“ zur Vermeidung lästiger Arbeitsgerichtsprozesse war das Startkapital für das eigene Unternehmen, das die Produktentwicklerin gründen wollte. Der Rauswurf war ihre Chance, ihre Träume zu verwirklichen und ihre Ziele in Angriff zu nehmen.
Übrigens sehen Chefs manchmal mit Sehnsucht und Neid, wie ehemalige Mitarbeiter zu neuen Horizonten segeln. Aber leider, leider kündigt ihnen niemand, sonst könnten sie auch endlich …
Mein Job.
Ein Albtraum von montags bis mittwochs.
Eine Tragödie von donnerstags bis freitags.
Ein erbärmliches Schauspiel, von mir selbst inszeniert.
Das falsche Stichwort zur falschen Zeit am falschen Ort.
Denn das ist meine Rolle: Ich bin Kolumbus. Ohne Schiff.
Aus der Graphic Novel „Immy and the City” von Mimi Welldirty