Weihnachten. Friedliche Stimmung. Erholen vom Jahresendspurt auf der Arbeit. Dann das: der Besuch bei den Eltern steht an. Sie haben ja sonst niemanden. Sind geschieden (oder verwitwet). Und als wohlerzogener Sohn fühle ich mich verpflichtet, mindestens an einem der Feiertage vorbei zu kommen.
Mich erwartet die ewig gleiche Abfolge aus Mittagessen, Verdauungspaziergang und Kaffeetrinken. Dazu die neuesten Geschichten von Menschen, die ich nicht kenne und die mich nicht interessieren. „Die Müllers Anneliese, die kennst du doch – doch, die kennst du! Das ist dem Kohlmann Herbert seine Cousine …“ und schon geht es in mir los. Ich sehne mich nach meinem Sofa, nach einem Spaziergang im Wald, nach Ruhe und Besinnlichkeit. Öl ins Feuer kippt meine Frau, die mir vorwirft: „Da müssen wir jedes Jahr hin! Nur weil Du einfach nicht Nein sagen kannst!“
Grundsätzlich ja, da hat sie recht. Aber einfach mal so an Weihnachten die Beziehung mit den Eltern ganz grundsätzlich klären? Klingt nur im ersten Ärger nach einer guten Idee. Dazu brauche ich Überlegung und Planung, denn schließlich sind meine Eltern (ob ich es will oder nicht) die stärksten Wurzeln, die mir im Leben mitgegeben wurden [mehr dazu].
Aber muss ein Besuch sein? Die Quintessenz eines solchen Treffens lässt sich auf eine halbe Stunde Austausch der wichtigsten Neuigkeiten reduzieren. Das geht prima am Telefon. Spart auch viel Reisezeit. Bietet das Wetter keine glaubwürdige Ausrede, lassen sich Migräne, Rückenschmerzen oder eine Blasenentzündung vortäuschen. Das ist zwar keine dauerhafte Lösung, nimmt aber erstmal den Druck aus dem Kessel. Gesichtswahrend! Denn Anneliese und Herbert werden fragen, warum ich nicht da war. Bis zum nächsten Jahr findet sich vielleicht eine Gelegenheit, das Thema endlich anzugehen.
Ich habe in diesem Jahr mit meiner Frau das Besuchsritual mit einem Spaßfaktor versehen. Wir haben gewettet:
- Nach wieviel Minuten wird das erste mal Anneliese erwähnt?
(38 Minuten) - Gibt es wieder Rinderrouladen, obwohl ich Vegetarier bin?
(Ja) - Bekommen wir ein Geschenk zurück, dass wir selbst schon mal meinen Eltern geschenkt haben?
(Nein, diesmal nicht)
Wir hatten so noch auf der Rückfahrt viel zu lachen und meine Frau einen Wein gut, denn sie kannte meine Eltern noch besser als ich.
Vorschau
Rund um den Jahreswechsel kann man ihnen nicht entkommen, den Ratschlägen, wie sogenannte gute Vorsätze auch in die Tat umgesetzt werden können. Doch ich habe nichts von den wahren Opfern gelesen, die für die Realisierung der Vorsätze erbracht werden müssen. Mehr dazu am 7. Januar, hier im Blog.