Ab 50 bist Du unsichtbar!


Sie hatte den Eindruck, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Es gab keine bewundernden, anerkennenden oder begehrlichen Blicke mehr für sie. Sollte sie darüber traurig sein oder sich freuen?

In unserem Leben erfahren wir ein unterschiedliches Maß an Aufmerksamkeit. Ganz zu Beginn stehen wir als Kinder im Mittelpunkt elterlicher Freude und Leid. Nach und nach verlassen die geliebten Kleinen die häusliche Umgebung und gewinnen Freund und Feind draußen in der Welt. In der Jugend dreht sich alles um die Kernfragen „Wer bin ich?“ und „Wie sehen mich die anderen?“

Nach der Gründung einer eigenen Familie wiederholt sich die Konzentration auf einen Menschen, nun aus der Elternrolle heraus. Gleichzeitig ist es das Lebensalter, in dem Menschen ihre Berufs- und Lebenspläne möglichst erfolgreich voranbringen wollen. Maximale Aufmerksamkeit der Umwelt ist ihnen sicher.

Irgendwann, so ab Ende 40, wenn die Kinder kaum noch zu Hause sind und die Karriere die entscheidenden Weichenstellungen hinter sich hat, beginnt die graue Phase der Unscheinbarkeit. Wir schwimmen mit: mit großer Erfahrung und auch oft noch mit großer Kraft halten wir das Räderwerk in der Familie und im Beruf am Laufen. Wir sind das Rückgrat jeder Organisation, das Aufgaben abarbeitet, Prioritäten setzen kann und Lösungen für nahezu jedes Problem findet. Doch gleichzeitig sind wir immer weniger attraktiv für andere: sei es in Paarfragen oder in Karrierefragen.

Die Menopause scheint besonders für Frauen ein Zeitalter der Bedeutungslosigkeit einzuläuten. Männer sind davon auch betroffen, jedoch weitaus weniger als Frauen. Wer sich einmal die Namenslisten und Fotos von Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur anschaut, wird dort viele Männer ab 50 Jahren sehen. Da jedoch nicht alle Männer in Führungspositionen gelangen können, gibt es auch bei ihnen ein Gefühl der Nutzlosigkeit.

Mehr Aufmerksamkeit erlangen wir erst wieder, wenn wir ab 70 anfangen, anderen im Weg zu stehen, weil wir zu gebrechlich sind oder die neueste Technik nicht verstehen. Dann sind wir als „Silver Ager“ auch wieder eine attraktive Zielgruppe für Werbung; ein Status, den wir spätestens mit den 50. Geburtstag verloren hatten. Doch ist das wirklich tragisch?

Den eigenen Weg gehen und den Zweiflern trotzenZugegeben: berufliche Attraktivität und sexuelle Begehrlichkeit sind wunderbare Rückmeldungen von außen. Die Kehrseite: sie werden gewährt, wenn ich den Anforderungen und Wünschen der Komplimente-Macher*innen entspreche. Ganz natürlich immer noch jung aussehen müssen, weiterhin Top-Leistung auf der Arbeit bringen – das kann auf Dauer ganz schön anstrengend sein. Und langweilig. Denn irgendwann ist es doch genug damit, den Ansprüchen von außen gerecht werden zu wollen.

Ist Unsichtbarkeit vielleicht auch ein Geschenk der Freiheit, endlich tun und lassen zu können, was ich will? Eine kostbare Lebensphase, die noch genügend Energie bereithält, um langgehegte Pläne oder neue Ideen wahr werden zu lassen? Diese 15, 20 guten Jahre vor der Herrschaft der Altersgebrechen wollen doch genutzt werden, oder?

Eine fortschrittliche Frau fortgeschrittenen Alters kann keine Macht der Welt im Zaume halten.

Dorothy L. Sayers (1893 – 1957, englische Schriftstellerin)


Eine Antwort zu “Ab 50 bist Du unsichtbar!”

  1. Lieber Kai, toll, dass du das Älterwerden hier thematisierst.
    Ob man im Alter in die Bedeutungslosigkeit versinkt ist nach meiner Meinung eine Frage der inneren Haltung. Wir entscheiden, wie wir diese Phase des Lebens, die uns so viel Freiheit gibt, aktiv gestalten oder einfach verstreichen lassen.
    In einem Lied von Udo Lindenberg heißt es „…es ist nie zu spät noch einmal durchzustarten“.
    Das Glück unseres Lebens hängt von unseren Gedanken ab. Wir können die Rollen und Bilder, die die Gesellschaft für das Älterwerden bereithält annehmen und helfen, sie zu verändern.
    Viele Grüße
    Monika

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