Alleine in fremden Hotelbetten


Sicherheitskontrolle am Flughafen: Ein Herr, die Haare so anthrazitgrau wie sein Anzug, muss sein Handgepäck öffnen. Routiniert zieht er den Reißverschluss seines Samsonites auf und da quillt auch schon das mokkabraune Kuschelfell eines abgeliebten Teddybären heraus. Ich beneidete ihn um seine Souveränität, denn die Situation war ihm mitnichten peinlich.

Es gab eine Zeit, da sah man meinem Hotelzimmer kaum an, dass ich darin wohnte. Sobald ich das Zimmer morgens verließ, war der Kulturbeutel im Koffer verstaut ebenso wie meine persönliche Habe, Kleidung und Schuhe. Nur das schon halb von mir gemachte Bett zeigte: hier lebt ein Mensch. Von außen betrachtet schien ich auf der Flucht zu sein. Dabei ist ein Hotelzimmer für die Dauer des Aufenthaltes mein ganz persönlicher Rückzugsraum, mein Refugium, in dem ich mich von Seminaren, Sitzungen und Smalltalk erholen kann. Weil ich auch selten gut in Hotelzimmern schlief, wurden die Hotelzimmer und ich nie gute Freunde. Neben den „Flüchtlingen“ scheint es jedoch auch eine andere Spezies von Hotelgästen zu geben: die „Nomaden“. Sie verteilen sofort alles Wichtige im Zimmer und machen daraus ihre Wohnstatt auf Zeit. Die an und für sich immer identischen Hotelzimmer strahlen dadurch die Persönlichkeit des Gastes aus. Diese Leute scheinen nachts auch besser zu schlafen.

Aus einem Hotelzimmer wird mein HotelzimmerIrgendwann begann ich, beim Beziehen eines Hotelzimmers meine Haltung zu ändern. Ich sagte mir: „Das wird mein Raum sein für die nächsten Tage und ich will ihn so für mich gestalten, dass ich mich abends darauf freue, dort hinein zu gehen.“ Es fing an mit Musik und einem Lautsprecher für den MP3-Spieler, es folgte ein Teelicht für lebendiges Licht, kleine Dinge, die mich an zu Hause und meine Frau erinnern. Und schließlich auch mein Teddybär, den mir meine Schwester zum 18. Geburtstag mit den Worten schenkte: „Auch wenn Du jetzt erwachsen bist, brauchst Du jemanden, der Dich begleitet.“

Der Erfolg stellte sich schnell ein: ich fühle mich wohl an Orten, an denen sonst nichts Herzerwärmendes zu finden ist. Ich erhole mich besser an den Abenden und gehe morgens geerdet und gestärkt in den Tag. Ich schlafe besser.

Vorübergehend schlage ich mein Zelt woanders auf, mein Zelt und nicht irgendein Zelt.

Manchmal jedoch schafft es der Bär nicht in den Koffer, weil ich auch für drei Tage nur Handgepäck mitnehmen mag. Freunde wandten ein, ich könne den Bären doch auch im Arm tragen, dem würde das gefallen. Das geht mir dann doch ein bisschen zu weit. Meine Persönlichkeit bloßlegen bei der Sicherheitskontrolle: schön und gut. Aber nicht in aller Öffentlichkeit am Abfluggate. Obwohl: damit ergeben sich bestimmt spannende Gespräche beim Boarding …

Vorschau

Das Arbeitsleben gleicht einem Schuhladen. Da wird einem laufend angetragen, sich doch bitteschön diesen oder jenen Schuh anzuziehen. Die meisten Schuhe passen nicht, trotzdem enden viele Tage mit einem Sack von Schuhen, die zu groß oder zu klein sind, für jemanden anderen bestimmt oder vergiftet sind. Kommen Sie mit zur Anprobe, am 14. April, hier auf meinem Blog.


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