„Erinnerst Du Dich noch“, fragte mich am Neujahrstag meine Frau, „früher war es Mode, per sms alles Gute zum neuen Jahr zu wünschen.“ „Vermutlich macht man das heute über Facebook“ antwortete ich. Sie merken: meine Frau und ich sind vor 1990 geboren und nicht bei Facebook. Was glauben Sie: haben wir trotzdem Freunde? Und falls ja: haben wir in den letzten fünf Jahren auch Neue gefunden?
In meinem Leben gibt es viele Menschen, die ich für mich als „Bekannte“ oder „gute Bekannte“ bezeichnen würde. Nur wenige jedoch sind für mich Freunde. Freunden vertraue ich und sie vertrauen mir: in schwierigen Situationen, manchmal auch ein Geheimnis an und unsere Beziehung zeichnet sich durch Tiefe und mitunter jahrzehntelange Dauer aus. Ich möchte meine Freundschaftsfähigkeit nicht dadurch beurteilt sehen, ob ich auf Facebook bin oder nicht. Menschen, die mich fragen: „Und wie hältst Du dann Kontakt zu Deinen Freunden?“ entgegne ich: „Hattest Du vor Facebook keine Freunde?“
Zweifellos erleichtern Kommunikationsmittel eben das, wie sie heißen: sie vermitteln das gegenseitiges Geben und Nehmen von Informationen. Von Boten überbrachte Pergamente, mit Federkiel geschriebene und mit Lack versiegelte Briefe in Postkutschen, das Telefon – all das hat die Freundschaftspflege unterstützt. Allen war gemeinsam: es gibt einen Absender und einen Empfänger (Geheimdienste und eifersüchtige Partner mal außen vor gelassen). E-Mail und sms sind für mich Zwitter: ich schreibe sie jemandem ganz bestimmten oder – das ist das Neue – einer Gruppe von Empfängern. Exponentiell vervielfältigt wird die Empfängerschar in sozialen Medien: Ein Eintrag dort kann hunderte oder zehntausende Leser erreichen. Aber wie aussagekräftig ist diese Massennachricht für das Individuum? Welche Belanglosigkeiten werden gepostet, um intellektuelle Tiefe oder emotionale Wärme vorzuspiegeln?
Das Besondere am direkten Kontakt sind die non-verbalen Botschaften, die den tragenden Unterton ergeben und die einen vielschichtigen Austausch erst ermöglichen: wo gibt es eine Pause im Gespräch? Ein kurzes Aufleuchten in den Augen. Ein Lächeln huscht über das Gesicht. Die Stimme bekommt einen weichen Klang (oder eine unerwartete Schärfe). Es heißt nicht umsonst „Körpersprache“, kein Smiley der Welt kann hier mithalten.
Für Trash möchte ich keine Zeit aufwenden und Facebook beansprucht Zeit. Ich bin altmodisch und lasse mich dafür gerne auch als überheblich bezeichnen, doch ich schließe Freundschaften in der persönlichen Begegnung, vertiefe sie in der gegenseitigen Zugewandtheit und Offenheit und nutze 1:1-Medien, um sie über die kontaktfreien Zeiten hinweg zu tragen. Ich schenke meinem Gegenüber meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Das ist meine Art der Wertschätzung für die Menschen, die in Kontakt mit mir stehen. Und ja: in den letzten fünf Jahren bin ich vielen Menschen begegnet, einige davon wurde zu Bekannten und es gibt welche, die langsam zu Freunden werden.
Siehe dazu auch: Networking mit 75+: Gemeinsam statt einsam im Alter.
Vorschau
„Warum geht das denn schon wieder nicht? Das darf ja wohl nicht wahr sein! Hallooo? Ich hab nicht mehr so viel Lebenszeit um auf Dich zu warten. Nee, machst Du immer noch nicht was ich will? Sag mal …“ Der Wüterich in mir hat mal wieder einen großen Auftritt und das Beste ist, man lässt mich jetzt in Ruhe. Wenn ich dann mal abgedampft bin und mir vor Augen halte, was ich gerade für ein Theater gemacht habe, dann will ich mich am liebsten bei meinem wehrlosen Opfer entschuldigen. Aber wie leiste ich Abbitte bei meinem Drucker? Und warum hat er gerade eine verbale Tracht Prügel abbekommen? Mehr zu meinem selbstgerechten Verhalten lesen Sie am 3. Februar. Hier auf meinem Blog.