Beim Lästerfasten kann ich nicht schummeln


Die zweite große Gute-Tat-Saison des Jahres läuft. Seit Aschermittwoch wird wieder gefastet: kein Alkohol (zumindest keine harten Sachen), keine Süßigkeiten (wenigstens keine Schokolade ab 10 Uhr morgens), kein Fleisch (Wurst ist ok) – dem (Selbst-) Betrug sind Tür und Tor geöffnet. Ich kenne das von mir selbst, doch jetzt faste ich „Lästern“. Wie sieht meine Halbzeitbilanz aus?

Zwei Klassiker der Termine für gute Vorsätze gibt es im Jahr: den 1. Januar und Aschermittwoch. Der Anlass mag verschieden sein, doch es gibt oft genug Überschneidungen in den Vorsätzen. Und ebenso gemeinsame Betrugstechniken. Vor Jahren probierte ich, in der Fastenzeit keine Süßigkeiten zu essen. Die ersten zwei, drei Tage fiel es mir schwer, weil ich zu bestimmten Anlässen ganz automatisch zu Schokolade griff. Sie sind mir erst dadurch bewusst wurden, dass ich eben nicht zugreifen durfte: die Kaffeepausen, die Belohnung aus dem Kühlschrank für einen anstrengenden Tag, … Dann kam ich in den „Flow“: drei, vier Wochen lang lief es gut. Doch in der zweiten Hälfte fiel es mir zunehmend schwerer, mich an meinen Vorsatz zu halten. Ich hatte doch schon so viel erreicht, ich könnte doch ein Stück Kuchen essen (Käsekuchen, denn da ist ja keine Schokolade drin). Und je näher Ostern rückte, die Schokoladenpräsentationen allgegenwärtig wurden, umso schwerer hielt ich durch. Kurz und gut: geschafft hatte ich es nie. Ich habe mich jedes Jahr um den Fastenerfolg gebracht. Die Konsequenz: ich hängte zukünftig mein Ziel weniger hoch. Im nächsten Jahr nahm ich mir lediglich vor: keine Schokolade, aber Kekse sind erlaubt. Eine Kollegin erzählte: das Nutellabrot zum Frühstück sei vom Fastenvorsatz natürlich ausgenommen.

Mir fiel aber auf, welche Gewohnheit hinter dem Schokoladenkonsum steckte. Manchmal wollte ich mich – zu Recht – belohnen, oft war es einfach nur Sucht. Da ich mir die Belohnung nicht versagen wollte, aber das Suchtpotential entlarven wollte, suchte ich nach einem neuen Fastenziel. Und fand es in einer Verhaltensweise, die sich hauptsächlich im Kopf abspielt: dem Lästern. Bei der Kaffeepause mit Kollegen (mit oder ohne Schokolade) geht es doch oft um das Lästern über einen gemeinsamen „Feind“, eine ungeliebte Abteilung oder eine einzelne Person. Da gibt ein Wort das andere, wie in einer sich selbst verstärkenden Spirale schraubt man sich von Bösartigkeit zu Bösartigkeit. Damit wollte ich Schluss machen.

Laesterfasten ohne schummelnOh, wie schwer das ist! Denn nur ein Bruchteil dessen, was in meinem Kopf ist, kommt auch durch meinen Mund nach draußen. Auch wenn ich schwieg, lästerte ich im Stillen mit. Diese innere Kakophonie wollte und musste ich beruhigen. Zum Schweigen verdammt fiel mir irgendwann auf, dass ich hin und wieder die Position des potentiellen Lästeropfers einnahm. Außerdem fragte ich mich: geht es mich überhaupt etwas an, worüber hier gerade gelästert wird?

So manchen Knallerspruch habe ich runtergeschluckt, aber im Laufe der Fastenzeit wurde ich innerlich ruhiger. Friedlicher, positiver, gelassener. Jetzt ist Halbzeit und ich stelle mir die Frage, wo Lästern eigentlich beginnt. Lästern macht mir gar nicht so viel Spaß, wie ich dachte. Vergiftet Lästern gar mein Herz?

Ich versuche das mit dem Lästerfasten mittlerweile seit drei Jahren und merke, dass es mir von Jahr zu Jahr leichter fällt. Das ist übrigens ein Erfolg, der sich beim Schokoladenfasten nie eingestellt hatte.

Vorschau

Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen und nun sieht man sie wieder in den Bars oder Straßencafés eifrig nach der Bewunderung und der Aufmerksamkeit des Gegenübers fischen: Menschen auf der Balz. Manchmal wirkt das wie ein Eroberungsfeldzug, bei dem er sie, sie ihn, er ihn oder sie sie überrollt mit selbstzentriertem Geschwätzdonner. Dabei geht es doch um Gefühle, nicht um Ländereien wie bei den Konquistadoren – oder habe ich da etwas missverstanden? Folgen Sie meiner Entdeckungstour am 24. März, hier auf meinem Blog.


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