Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen und nun sieht man sie wieder in den Bars oder Straßencafés eifrig nach der Bewunderung und der Aufmerksamkeit des Gegenübers fischen: Menschen auf der Balz. Manchmal wirkt das wie ein Eroberungsfeldzug, bei dem eine(r) überrollt wird mit selbstzentriertem Gerede. Dabei geht es doch um Gefühle, um einen gemeinsamen Tanz, nicht um die Eroberung von Ländereien – oder habe ich da etwas missverstanden?
Es war ein sehr gemütlicher Abend in einer Bar, die mit Möbeln der 50er Jahre und ungewöhnlichen Cocktails eine behagliche Wohnzimmeratmosphäre schuf. Drei Paare waren anwesend, gedämpfte Gespräche, Loungemusik. Doch dann öffnete sich die Tür, ER trat auf die Bühne, um IHR zu imponieren. Kaum dass sie saßen, überfiel er sie und produzierte seine Vorzüge. Sie pflichtete ihm bei und versuchte seine Aufmerksamkeit auf ihre Einzigartigkeit zu lenken. Der Kampf um die Lufthoheit über dem Kennenlernen war voll entbrannt. Die Gespräche der anderen Paare und die Musik wurden in den Hintergrund gedrängt.
1936 hat Dale Carnegie in seinem Buch „Wie man Freunde gewinnt“ die Geschichte eines erfolgreichen Abends erzählt. Sein Gegenüber habe sich beim Abschied sehr für das außerordentliche gute Gespräch bedankt, dabei hatte Carnegie nichts von sich erzählt. Er hat lediglich aufrichtiges Interesse für den anderen gezeigt. Das Buch zählt mittlerweile zu den Klassikern der Kommunikationsliteratur. Auch wenn es ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint, sind seine „goldenen Regeln“ wie „Geben Sie anderen ehrliche und aufrichtige Anerkennung“, „Interessieren Sie sich aufrichtig für andere“ oder „Erwecken Sie in anderen lebhafte Wünsche“ immer noch aktuell.
Hätte der junge Mann in der Bar nur diese Regeln befolgt! Glauben Sie, dass er bei der Frau im Sessel gegenüber den lebhaften Wunsch geweckt hat, ihn wieder zu treffen? Dabei war doch gerade das sein Ziel, das er mit seinem Verhalten allerdings kräftig sabotierte.
Vorschau
Die junge Kollegin hat keine Chance: links ist das Fenster, vor ihr der Schreibtisch, hinter ihr die Wand und rechts – da sitzt ihr Chef. Fast schon auf ihrem Schoß. An Flucht ist nicht zu denken, auch nicht, als er noch rülpst. Das ist der Alltag bei dieser Mitarbeiterin: sie lässt diese massive Verletzung ihrer Grenzen zu. Kann eine Mischung aus Gehorsam und passivem Widerstand ihre Situation verbessern? Lesen Sie die Antworten am 7. April hier auf meinem Blog.