Der Projektleiter hört mir aktiv nicht zu


Der Mitarbeiter kam frustriert vom Projektleiter zurück. Er hatte ihm sein Leid geklagt: die Aufgaben seien zu viel, die Arbeit nicht mehr zu schaffen und die Fehler häuften sich. Der Projektleiter hatte ihm mit „Dann organisieren Sie sich besser, die Arbeit muss gemacht werden“ geantwortet. Der Mitarbeiter fragte sich: „Ist der denn taub?“ Ja, auf einem seiner vier Ohren ist der Projektleiter taub. Vier Ohren??

Alles, was wir äußern, enthält vier Anteile: Eine Sachbotschaft wie überprüfbare Daten und Fakten. Ich teile auch immer etwas von mir mit, von meinem Empfinden. Wie ich etwas sage, drückt als Drittes etwas über die Beziehung aus, die ich zwischen mir und dem Empfänger der Botschaft sehe (einen Chef spreche ich anders an als einen Freund). Und schließlich verbinde ich auch einen Appell mit dem, was ich sage. So gesehen hat jeder Mensch vier Schnäbel, mit denen er spricht und vier Ohren, mit denen er hört – für jeden Anteil einen.

Der Projektleiter ist auf einem Ohr taubDie Aufgabe eines Projektleiters ist es, das Projekt zu strukturieren, es voran zu treiben und notwendige Entscheidungen zu treffen. Aus dieser übergeordneten Position heraus will oder kann er es sich nicht leisten, in die Tiefen des Projektes hineingezogen zu werden, wo die emotionalen oder fachspezifischen Fallen lauern. Entsprechend sind seine Ohren geschult.

Hilferufe, wie sie der Mitarbeiter abgesetzt hat, enthalten ganz viel Emotionen: „Ich bin überlastet, ich kann nicht mehr, …“ Und sie fordern den Chef auf, etwas zu tun. Egal was, Hauptsache, etwas ändert sich. Damit kann der Projektleiter nicht viel anfangen. Im Gegenteil: so viele Gefühle können sehr beängstigend sein. Es menschelt, doch er will Fakten, nötigenfalls auch einen konkreten Änderungsauftrag. Was für den Mitarbeiter wirkt, als hätte der Chef erfolgreich einen Kurs im aktiven Nicht-Zuhören belegt, kann auch so erklärt werden: Dass der Mitarbeiter etwas sagt, was der Leiter nicht hören kann – weil die passenden Schnäbel nicht benutzt und die angesprochenen Ohren nicht geschult sind.

Eine Lösung für den Mitarbeiter könnte sein, sich besser auf das Gespräch vorzubereiten, in dem er Fakten sammelt. Welche Aufgaben benötigen wie viel Zeit, welche Ressourcen stehen (nicht) zur Verfügung, was ist das Konkrete, was sich daraus ergibt und angepackt werden muss? Mir scheint, dass es manchmal an dieser „trockenen“ faktenbasierten Vorbereitung mangelt, wenn Hilfegesuche an höherer Stelle gestellt werden. Wenn dann auch noch vom Mitarbeiter ein Satz kommt wie „Ich könnte probieren, ob ich die Arbeit noch besser strukturieren kann“ hört der Projektleiter nur: „Problem gelöst“.

„Was nicht auf eine Schreibmaschinen-Seite passt, ist weder durchdacht noch entscheidungsreif.“
Dwight D. Eisenhower (1890-1969), 34. Präsident der USA

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