Prioritätenlisten sind wie Cellulite: viele haben sie, kaum jemand bekommt sie weg. Alles fängt mit leichter Orangenhaut in Form von To-Do-Listen an und wächst sich aus zu Prioritätenlisten mit „Haupt-, Unter- und Nebenprioritäten“, klassifziert in „1a“, „1b“, usw. To-Do und Prioritätenlisten sind für viele Menschen ein nicht versiegender Quell der Frustration.
„Wie setzt Ihr Prioritäten?“ fragte neulich ein Teilnehmer in der Supervisionsgruppe. Wir schwiegen und überlegten – das war eine gute Frage.
Für den einen können Prioritäten nur gesetzt werden, wenn alte Gewohnheiten aufgegeben werden und am Ende der Priorisierung ein gutes Gefühl oder schönes Erlebnis steht. Für mich ist die Sehnsucht der Wegweiser. Nach was ich mich wirklich sehne, ist mir so wichtig, dass ich dem alles andere unterordne. Eine Frau fasste es in der Frage „Wofür?“ zusammen: Wer Prioritäten setzen will oder muss verfolgt ein Ziel, wofür braucht er oder sie mehr Raum, Zeit, Freiheit?
Als untauglich haben sich für uns alle große weiße Blätter erwiesen, auf denen die Listen angelegt werden. Lange Kolonnen von abzuarbeitenden Tätigkeiten sind einfach nur demotivierend. Keine einzeige dieser Listen hat je dafür gesorgt, dass das Problem „Zu viele Aufgaben für zu wenig Zeit“ gelöst wurde. Aber da jeder Ratgeber aus der Kategorie „So bekomme ich alles geregelt“ nun einmal solche Listen empfiehlt haben wir die Idee der To-Do Liste weitergesponnen. Um die Prioritäten richtig zu strukturieren bräuchte es getrennte Listen für Studium/Arbeit, Freizeit, Haushalt, Freunde/Familie und natürlich eine Master-Liste, die die Einzellisten priorisiert. Oder wie wäre es, eine To-Do Liste zu schreiben und gleich anschließend wegzuwerfen? Denn wie oft wurden Listen geschrieben, die dann im allgemeinen Durcheinander verloren gingen. Tauchten sie Wochen später wieder auf, waren alle Punkte darauf entweder abgearbeitet oder ihre Umsetzung war überflüssig geworden. Am besten gefiel uns der Gedanke, auf eine „To-Do Karte“ nur ein einzigen Punkt zu schreiben. Auf den kann man sich dann konzentrieren, ihn erledigen, stolz abhaken und ein Erfolgserlebnis für sich selbst verbuchen. So wäre die Prioritätenliste auch endlich von ihrem inneren Widerspruch befreit. Das Wort „Priorität“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Vorrang“, auch im Sinne von „Erster, Vorderer“. Es kann nur Einen geben, der ganz vorne, ganz oben steht. Eine Liste von „ganz oben Stehenden“ – das ist semantischer Unsinn.
Ich reserviere mir übrigens jeden Morgen 25 Minuten meiner kostbaren Zeit für das Wertvollste, das ich besitze: mich selbst. In dieser Frei-Zeit schaue ich, wie es mir geht, zentriere mich und begrüße den Tag. Das hat ganz klar „Prio Eins“ für mich, besonders um sieben Uhr in der Früh’.
Vorschau
Neulich im Museum hörte ich „Eigentlich gar nicht mal so übel, das Ding hier. Das muss man jetzt mal zugeben.“ Oh wow, da war ein echter Sprachkünstler am Werk! Er schmiss eine Burka aus Füllworten und Abschwächungen über den Kern der Aussage, bis er nicht mehr zu erkennen war. Einmal darauf aufmerksam geworden fielen mir zu meinem Entsetzen auch unzählige Verschleierungssätze in meinem täglichen Sprachgebrauch auf. Machen Sie mit bei der Entschleierung am 17. September, hier auf meinem Blog.
Eine Antwort zu “Problemzone Prioritätenliste”
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