Ich bekenne mich schuldig. Scheibchenweise.


Am Silvesterabend saßen wir zu acht zusammen und kamen auf die „Kreditaffäre“ des Bundespräsidenten zu sprechen. „Es liegt noch nicht alles auf dem Tisch, da bin ich mir sicher“, so eine Aussage. Ich vertrat die Meinung, dass ein frühzeitiges offenes Eingeständnis und eine Bitte um Entschuldigung die ganze Affäre beruhigt hätte.

Doch was braucht es, damit ich etwas eingestehen und um Verzeihung bitten kann? Selbstreflexion, Selbsterkenntnis, eine Einsicht in mich und mein Handeln. Bevor ich glaubwürdig nach außen Reue und Bedauern zeigen kann, muss ich mir doch in mir klar machen, was ich getan habe und dass ich gegen Regeln verstoßen habe, die ich von mir und von anderen erwartet habe.

Die Schuld hängt an einem seidenen Faden über mirDas ist jedoch harte Arbeit, die an meinen Grundfesten aus Werte- und Moralvorstellungen rüttelt und mein Bild von mir selbst erschüttert. Ich kann mir daher nicht von jetzt auf gleich eingestehen, das ich gegen meine eigenen Wertevorstellungen verstoßen habe, besonders wenn der Verstoß fundamental ist. Das würde mein Selbstbild und Stabilität zutiefst erschüttern, womöglich zerstören. Um mich in meiner Gesamtheit zu schützen kann ich daher immer nur so viel zugestehen, wie ich verkraften kann. Stück für Stück, Scheibchen für Scheibchen, denn die Schuld hängt wie ein tonnenschweres Gewicht an einem seidenen Faden über mir. Und nur was ich mir zugestehe, kann ich auch nach außen zugeben. Für mein Gegenüber wirkt das wie eine Salami-Taktik, weil im Laufe des Selbsterkenntnisprozesses immer neue Details auf den Tisch kommen: eben jene, die ich mir nun auch eingestehen kann. Das untergräbt aber beim Gegenüber gerade neu gewonnenes Vertrauen.

Vielleicht ist also das scheibchenweise Eingestehen neuer Fakten ein Zeichen dafür, dass der Verarbeitungsprozess des Schuld-Eingestehens noch im Gange ist und nur so schnell gehen kann, wie ich es, meine Psyche, meine Seele verkraftet. Ob das auch für den Fall des Bundespräsidenten gilt, wo immer neue Fakten an’s Licht kommen, kann nur einer erklären: Christian Wulff.


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