Brandopfer auf dem Altar der guten Vorsätze


Rund um den Jahreswechsel konnte ich ihnen wieder nicht entkommen, den Ratschlägen, wie sogenannte gute Vorsätze auch in die Tat umgesetzt werden können. Doch ich vermisste einen Punkt, der meines Erachtens wesentlich für den Erfolg von Vorsätzen sind: Ich habe nichts von den wahren Opfern gelesen, die für die Realisierung der Vorsätze erbracht werden müssen.

Das Brandopfer auf einem silbernen Tablett darbringenDie Bibel und antike Schriften sind voll von Opfern, die auf Altären dargebracht werden, um die Götter gnädig zu stimmen. Im einfachsten Fall ein wenig Stroh, manchmal muss aber auch die beste Kuh oder ein Mensch geopfert werden. Was bin ich wirklich bereit, aufzugeben, damit mein Vorsatz gelingen kann? Die beliebtesten Vorsätze sind: mehr Sport machen, zum Nichtraucher werden, weniger Gewicht auf die Waage bringen. Der Reihe nach:

  • Natürlich hätte ich gerne eine Y-Figur mit Waschbrettbauch. Kein Problem – dafür muss ich lediglich vier bis sieben mal in der Woche Sport machen, mal Krafttraining, mal Ausdauersport, mal Beweglichkeit trainieren. Bin ich wirklich bereit, meine Flexibilität in der Freizeitgestaltung zu opfern, damit ich regelmäßig feste Sporttermine wahrnehmen kann? Ich müsste aufgeben, dass ich einfach nur müde auf dem Sofa sitze, mich mit Freunden direkt nach der Arbeit auf einen angeregten Weinplausch treffe oder vor dem Theaterbesuch noch in ein Restaurant gehe. Das wäre das „Brandopfer“, das ich dem Gott der Y-Figur darbringen müsste. Jede Woche, jeden Monat, jahrelang.
  • Klar ist Nichtrauchen gesünder als ’ne Kippe anzuzünden. Aber hej, das ist für mich Entspannung! Zehn Minuten Zeit nur für mich – fast schon eine Meditation! Bin ich bereit, auf diese Auszeiten zu verzichten? Verzichten auf Weggehen vom Arbeitsplatz, wenn mich die Kollegen nerven („Ich geh mal eine rauchen“); rausgehen nach einem leckeren Essen mit Freunden, um mal durchzuschnaufen („Ich geh mal eine rauchen“); weggehen vom Schreibtisch, wenn ich keinen sinnvollen Satz mehr zu Stande bringe außer „Ich geh mal eine rauchen“? Das Brandopfer für den Gott des Nichtrauchens wäre der Verzicht auf eine erprobte und funktionierende Entspannung.
  • Weniger Gewicht – der Klassiker schlechthin. Bei dem Brandopfer geht es aber nicht um Schokolade, Pommes Frites oder das Bierchen am Abend. Nein, ich müsste auf mein Lebensmantra verzichten, das da lautet: „Eigentlich sollte ich nicht, aber ich gönn’ es mir jetzt!“ Ich müsste darauf verzichten, den ganzen Tag bei jeder Gelegenheit, die mit Kalorien zu tun hat, das innere Programm abzuspulen aus:
    Kalorien berechnen,
    Körper bewerten –
    und dann die Konsequenzen mit schlechtem Gewissen ignorieren.
    Ich müsste mich stattdessen konsequent kasteien und meine kleine Fluchten unterbinden. Dem Gott der Gewichtsabnahme muss ich auf seinem Altar also einen Teil meiner seelischen Unversehrtheit opfern.

Nur wenn ich bereit bin, den wahren Preis für meinen Vorsatz zu zahlen, also auf dem Altar der Vorsätze zu opfern, dann kann ich meinen „guten Vorsatz“ auch umsetzen. Merke: das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“.

Vorschau

Als ich letztens eine Mutter hörte, die zu ihrem zweijährigen Kind sagte: „Wenn du wieder lieb bist, bekommt du deinen Teddy zurück!“ schwoll mir innerlich der Kamm. Denn in meiner Welt wohnen die Belohung und der Machtmissbrauch in der gleichen Straße, nur ein paar Hausnummern voneinander entfernt. Was das meiner Meinung nach auch mit modernen Bonus- und Incentive-Systemen zu tun hat, können Sie am 21. Januar lesen. Hier im Blog.


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